Junger Israeli auf Spurensuche - Verein Judaica in Meimbressen e.V. lieferte kompetente Unterstützung | Aktuelle Nachrichten und Informationen

Text & Foto: (c) Dorina Binienda-Beer, Judaica Meimbressen e.V.

Junger Israeli auf Spurensuche - Verein Judaica in Meimbressen e.V. lieferte kompetente Unterstützung

Meimbressen. Das große Unheil des Holocaust zeichnete sich ab, Repressalien und Schikanen hatten sie bereits schwer getroffen. Da fassten in Meimbressen der Viehhändler Jakob Voremberg und seine Frau Jenny (geborene Perlstein) den weitreichenden Entschluss: weg aus dem Heimatdorf, weg aus Deutschland, weg aus Europa. Im September 1938 emigrierten die jüdischen Eheleute mit ihren drei Söhnen Horst (geboren 1924), Helmut (1925) und Werner (1927) nach Erez-Israel, dem britischen Mandatsgebiet in Palästina.

Gut 86 Jahre später steht Alon Voremberg, der Enkelsohn des jüngsten der drei Brüder, zusammen mit seiner Freundin Adi (24) für ein Erinnerungsfoto vor dem einstigen Wohnhaus seiner Vorfahren in der Meimbresser Hauptstraße, seinerzeit Haus Nr. 58.

Das junge Paar, beide Studierende aus Haifa, ist an diesem Tag zu Gast beim Verein Judaica in Meimbressen e.V. Alon hatte im Vorfeld der Stippvisite in der Heimat seiner Vorfahren Kontakt zu Pfarrer Michael Dorhs aufgenommen, 2. Vorsitzender des Vereins und seit Jahrzehnten anerkannter Experte der Erforschung jüdischer Schicksale im Raum Hofgeismar während der NS-Zeit. Mit ihm und weiteren Vorstandsmitgliedern geht der 27-Jährige, der derzeit ein Auslandssemester in München verbringt, in Meimbressen auf Spurensuche. Tausende Kilometer von zuhause entfernt kommt Alon seinem 2017 im Alter von 90 Jahren verstorbenen Großvater Werner, der sich in Israel Shlomo nannte, gefühlsmäßig noch mal besonders nah.

Unter der Führung des 1. Vorsitzenden von Judaica in Meimbressen, Heinrich Neutze, besucht die Gruppe den historischen Junkernhof, der während der Grundherrschaft der Familie Wolff von Gudenberg über Jahrhunderte von Bedeutung war für jüdisches Leben in dem Dorf an der Nebelbeeke. Eine weitere markante Station während des Dorfspaziergangs bildet der Standort der beim November-Pogrom 1938 verwüsteten und später abgerissenen Synagoge, wo heute ein imposanter Gedenkstein und eine Infotafel mit historischen Fotos die Erinnerung an das Gebetshaus wachhalten.

Noch mehr unter die Haut geht Alon schließlich der Besuch des jüdischen Friedhofs Meimbressen. Das Grab der Ururgroßeltern Isaak Voremberg und Bertha, geborene Kander, ist bis heute erhalten. Ganz am Ende einer langen Gräberreihe entdeckt Alon den alten Grabstein - und legt entsprechend dem jüdischen Brauch einen Stein ab. Sein Großvater Werner hatte auch eine Schwester, Trude (geboren 1922). Sie starb schon in jüngsten Jahren an Leukämie, auch ihr Kindergrab existiert in Meimbressen noch. Das Interesse des jungen Israelis findet zudem die Höpperstraße. Denn hier haben Unterlagen zufolge Vorembergs in noch längerer Vorzeit einmal gelebt – mit Blick auf den Lindenberg und sein christliches Gotteshaus obenauf. Das christlich-jüdische Miteinander in Meimbressen gilt schriftlichen Quellen zufolge als bis zum Beginn des Nazi-Terrors unbelastet.

Zum gemütlichen Gedanken- und Informationsaustausch bei Kaffee und Kuchen kehrten die Gäste am Ende des Rundgangs im Haus von Heinrich und Ruth Neutze ein. Mittags waren sie bereits zum gemeinsamen Essen bei der stellvertretenden Judaica-Vorsitzenden Beate Lehmann und deren Familie in Calden eingeladen.

Nach München zurückgekehrt, dankte Alon dem Verein Judaica in Meimbressen e.V. schriftlich für die „warmherzige Gastfreundschaft“ und alle Bemühungen, die diesen Meimbressen-Besuch für ihn zu einem außerordentlichen Erlebnis gemacht hätten.

Eine Vielzahl von Gästen aus diversen Ländern, Angehörige ermordeter und emigrierter Meimbresser Juden, erwartet Judaica in Meimbressen e.V. zu seiner dritten Stolperstein-Verlegung im kommenden September. In der Kontaktpflege zu Nachkommen sieht der Verein eine seiner bedeutendsten Aufgaben.